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    Die dritte Amtszeit von Xi Jinping ist eine Bedrohung für China und den Rest der Welt

    November 2022

    Xi Jinping ist für eine dritte Amtszeit als Generalsekretär der Kommunistischen Partei und Chef des Militärs bestätigt worden. Es stellt sich also die Frage, ob seine unangefochtene Machtfülle gut für China oder für den Rest der Welt ist.

    Meiner Meinung nach – eindeutig NICHT. Es ist für beide gefährlich. Es wäre auch dann noch gefährlich, wenn er sich als ein Herrscher von unvergleichlicher Kompetenz erwiesen hätte. Meiner Meinung nach hat er dies aber nicht getan. So wie es aussieht, besteht die Gefahr der Erstarrung im eigenen Land und der zunehmenden Reibung im Ausland.

    Zehn Jahre sind meiner Meinung nach immer genug. Selbst ein erstklassiger Führer verfällt nach so langer Zeit im Amt. Einer mit unanfechtbarer Macht neigt dazu, noch schneller zu verfallen. Umgeben von Leuten, die er ausgewählt hat, und beschützt von dem Erbe, das er geschaffen hat, wird er meiner Meinung nach zunehmend isoliert und defensiv, ja sogar paranoid werden. Infolgedessen kommen die Reformen zum Stillstand. Die Entscheidungsfindung verlangsamt sich. Törichte Entscheidungen werden nicht angefochten und bleiben daher unverändert. Das ist ein Teufelskreis und Xis Null-COVID-Politik ist meiner Meinung nach nur ein Beispiel dafür. Wenn man einen Blick über den Tellerrand Chinas hinaus wirft, kann man den durch anhaltende Machtausübung ausgelösten Wahnsinn in Putins Russland beobachten. Mit Mao Zedong hat China sein eigenes Beispiel. Mao war der Grund dafür, dass Deng Xiaoping, meiner Meinung nach ein Genie des gesunden Menschenverstands, das System der Amtszeitbeschränkung einführte, das Xi jetzt umstößt.

    Der Vorteil von Demokratien liegt meiner Meinung nach nicht darin, dass sie zwangsläufig weise und wohlmeinende Führer wählen – Donald Trump ist das perfekte Beispiel dafür. Allzu oft wählen sie sogar das Gegenteil – in Italien von Draghi bis Meloni. Aber diese können ohne Gefahr bekämpft und ohne Blutvergießen abgesetzt werden. In persönlichen Despotien ist beides nicht möglich. In institutionalisierten Despotien ist die Absetzung meiner Meinung nach denkbar. Aber sie ist und bleibt gefährlich, und je dominanter der Führer, desto gefährlicher. Meiner Meinung nach ist es einfach realistisch zu erwarten, dass die nächsten 10 Jahre von Xi noch schlimmer werden als die letzten, mit einer hohen Wahrscheinlichkeit, dass Xis China in Taiwan einmarschiert.

    Wie schlimm war also sein erstes Jahrzehnt?

    Meiner Meinung nach verfolgt Xi Jinping drei Hauptziele: persönliche Dominanz, Wiederbelebung des leninistischen Parteistaates und Ausweitung des globalen Einflusses Chinas.

    Meiner Meinung nach war er bei der ersten Zielsetzung erfolgreich und bei der zweiten mit gemischtem Erfolg. Während China heute zweifellos eine anerkannte Supermacht ist, hat es auch eine mächtige Koalition von ängstlichen Gegnern mobilisiert.

    Vor allem wurden Reformen vermieden, die die staatlichen Unternehmen untergraben könnten. Auch für berühmte chinesische Geschäftsleute wie Jack Ma, den Gründer von Alibaba, wurden strengere Kontrollen eingeführt. Ich kann also wirklich nicht erkennen, dass Wirtschaftsreformen zu Xis Hauptzielen gehören.

    Vor allem die tief greifenden makroökonomischen, mikroökonomischen und ökologischen Probleme bleiben bisher weitgehend unangetastet. Chinas Wirtschaft ist meiner Meinung nach instabil, unausgewogen, unkoordiniert und vor allem nicht nachhaltig. Die grundlegenden makroökonomischen Probleme sind meiner Meinung nach die übermäßige Ersparnis, die damit einhergehenden übermäßigen Investitionen und die daraus resultierenden wachsenden Berge von unproduktiven Schulden. Diese drei Dinge gehören meiner Meinung nach zusammen: Eines kann nicht gelöst werden, ohne die beiden anderen zu lösen. Entgegen der weit verbreiteten Meinung ist die übermäßige Ersparnis nur teilweise das Ergebnis eines fehlenden sozialen Sicherheitsnetzes und der daraus resultierenden hohen Einsparungen der Haushalte. Vielmehr liegt es daran, dass das verfügbare Einkommen der Haushalte einen so geringen Anteil am Volkseinkommen ausmacht, während der Rest zu einem großen Teil aus Gewinnen besteht. Das Ergebnis ist, dass sowohl die nationalen Ersparnisse als auch die Investitionen über 40 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) liegen. Wären die Investitionen nicht so hoch, würde sich die Wirtschaft in einem permanenten Abschwung befinden. Da sich das Wachstumspotenzial jedoch verlangsamt hat, wurde ein Großteil dieser Investitionen in unproduktive, schuldenfinanzierte Bauten gesteckt. Das ist ein kurzfristiges Heilmittel mit den negativen langfristigen Nebeneffekten uneinbringlicher Schulden und sinkender Investitionsrenditen. Die Immobilienblase in China hat sich meiner Meinung nach auf etwa 60 Billionen US-Dollar aufgebläht. Die Lösung für Chinas sich verlangsamende Wirtschaft besteht nicht nur darin, die Ersparnisse der Haushalte zu verringern, sondern auch den Anteil der Haushalte am verfügbaren Einkommen zu erhöhen. Beides bedroht mächtige Interessen und ist bisher nicht geschehen.

    Die grundlegenden mikroökonomischen Probleme sind meiner Meinung nach die allgegenwärtige Korruption, willkürliche Eingriffe in die Privatwirtschaft und Verschwendung im öffentlichen Sektor. Darüber hinaus bleibt die Umweltpolitik, nicht zuletzt wegen der enormen Kohlendioxidemissionen des Landes, eine enorme Herausforderung. Es ist Xi hoch anzurechnen, dass er dieses Problem zumindest erkannt hat.

    In jüngster Zeit hat Xi die Politik verfolgt, einen Virus in Schach zu halten, der im Rest der Welt frei zirkuliert. China hätte stattdessen die weltweit besten Impfstoffe importieren und nach deren Verabreichung das Land wieder öffnen sollen. Das wäre meiner Meinung nach vernünftig gewesen und hätte auch gezeigt, dass China weiterhin an Offenheit und Zusammenarbeit glaubt.

    Aber Xis Programm der erneuten zentralen Kontrolle ist nicht überraschend. Es war eine natürliche Reaktion auf die erodierenden Auswirkungen größerer Freiheiten auf eine politische Struktur, die sich auf eine Macht stützt, die nicht rechenschaftspflichtig ist, außer nach oben. Die allgegenwärtige Korruption war daher das unvermeidliche Ergebnis. Der Preis für den Versuch, sie zu unterdrücken, sind Risikoscheue und Verkrustung. Es ist schwer zu glauben, dass eine Organisation von oben nach unten und die absolute Kontrolle durch einen Mann eine immer höher entwickelte Gesellschaft mit 1,4 Milliarden Menschen vernünftig, geschweige denn effektiv regieren kann. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass China immer selbstbewusster geworden ist. Die mangelnde Bereitschaft des Westens, sich auf Chinas Reis einzustellen, ist eindeutig ein Teil des Problems. Aber auch Chinas offene Feindseligkeit gegenüber Grundwerten, die dem Westen – und vielen anderen – wichtig sind. Viele von uns können Chinas Festhalten an den marxistischen politischen Idealen, die nachweislich auf lange Sicht nicht erfolgreich waren, nicht ernst nehmen. Ja, Dengs brillanter Eklektizismus hat funktioniert, zumindest solange China ein Entwicklungsland war. Aber die Wiedereinführung der alten leninistischen Prinzipien für das heutige hochkomplexe China ist bestenfalls eine Sackgasse.

    Schlimmstenfalls, wenn Xi auf unbestimmte Zeit im Amt bleibt, könnte es sich meiner Meinung nach als etwas noch Gefährlicheres erweisen, für China selbst und den Rest der Welt.